Und wieder einmal ist es soweit: Der Sommer neigt sich endgültig dem Ende zu, die dunkle Jahreszeit beginnt. Auch wenn der offizielle Herbstanfang laut Kalender bereits ein paar Wochen zurückliegt, markiert für mich die Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November mehr als jeder andere Zeitpunkt den Wechsel der Jahreszeiten. (Vermutlich habe ich zu viele Marion Zimmer Bradley-Romane gelesen *grinz*)
Ob man diesen Zeitpunkt nun Halloween, Samhain oder Allerheiligen (jener katholische Feiertag, der der keltischen Nacht der Toten folgt) nennt – es ist schon eine besondere Atmosphäre, die sie umfängt. Deshalb habe ich beschlossen, mit diesem Eintrag ein paar Bücher zu nennen, die düster sind und die von der Stimmung her meinem Geschmack nach gut zu Halloween passen.
Wer sich, wenn es draußen dunkel ist, mit einem unheimlichen Buch in der warmen Stube verkriechen möchte, dem lege ich folgende Titel ans Herz (und zwar heute schon, damit er sich die Romane noch rechtzeitig besorgen kann, falls gewünscht):
Nina Blazon – Totenbraut
Es gibt Augenblicke im Leben, die lassen das Herz stillstehen und das Blut kalt werden. Heute weiß ich, es ist der Kuss des Todes, der uns in jenen Sekunden streift und uns alle Wärme nimmt. Das fremde Gesicht, in das ich damals blickte, war von der eisigen Schönheit des Todes und von der Hässlichkeit des Leidens, tiefer und schmerzhafter, als ein Lebender es ertragen könnte. Ich sah erloschene Augen und totenfahle Haut. Ich sah schwarze Zähne. Und Lippen, die kaum mehr vorhanden waren. Ich roch Taubenfedern und Regen und sah, wie die Gestalt nach meiner ausgestreckten Hand griff …
Nina Blazons Totenbraut ist ein Vampirroman ohne Vampire. Die Autorin verwebt darin osteuropäischen Aberglauben mit einer unheimlich spannenden Geschichte, die zudem noch, wie man es von ihr gewohnt ist, wirklich gut geschrieben ist.
Obwohl es sich beim Buch um einen historischen Roman handelt, jagt er einem an den entsprechenden Stellen Schauer über den Rücken und ist deshalb perfekt für eine nasskalte Oktober/Novembernacht geeignet. Meine Rezension findet ihr hier.
Kate Forsyth – Der Turm der Raben
Der Raum war von Geistern von Jungen bevölkert. Einer wiegte sich auf dem Schaukelpferd vor und zurück, vor und zurück. Ein anderer untersuchte das Puppentheater, einige weitere standen über das Schloss gebeugt. Einer lag zusammengerollt auf einem großen Sessel und sah sich ein Buch an. Einer kauerte auf dem Fenstersitz und weinte in seine Arme. Ein weiterer lag weinend auf dem Bett. Ein Junge war tropfnass, saß in einer Pfütze und zitterte ebenfalls. Je genauer sie hinsah, desto mehr Geister gewahrte sie, einige so substanzlos wie von einem von der Sonne beschienenen Stein abstrahlende Hitze, andere wie lebendige Jungen wirkend, nur dass ihre Körper miteinander verschmolzen, wenn sie sich durch den Raum bewegten, und sich dann wieder materialisierten wie flackernde Schatten. “Wir sind alle verirrt. Wir können den Heimweg nicht finden.”
Der Turm der Raben ist ein toller Fantasy-Roman mit düsterer Atmosphäre. Rhiannon und ihre Weggefährten müssen aufgrund schauriger Regenfälle Zuflucht in einer heruntergekommenen Burg suchen, die im Schatten eines verfluchten Turms steht. In der Umgebung verschwinden kleine Kinder, die Toten erheben sich angeblich aus ihren Gräbern und auf der Burg scheint man ihnen feindlich gesinnt. Trotzdem macht sich Rhiannon daran, das Geheimnis des Turms der Raben zu lüften …
Zugegeben, das erste Drittel zieht sich extrem – wer deshalb in Halloween-Stimmung ist, sollte schon ein paar Tage vorher mit dem Lesen beginnen; düster-spannend wird es erst nach rund 250 Seiten. Meine Rezension findet ihr hier.
Diana L. Paxson – Der Zauber von Erin
An Samhain öffnet sich das Tor zwischen den Welten. In den Landen der Sterblichen halten die Menschen wachsam die Augen offen und feiern diesen Festtag; denn obgleich Christus im Himmel herrscht, gibt es auf Erden noch ältere Mächte, die sich nicht um die Gebote der Priester scheren. Ich weiß das, denn ich habe das Pochen unter meinen Füßen gespürt und ihr Wispern in meiner Seele gehört …
So beginnt Diana Paxsons große historisch-phantastische Nacherzählung der tragisch-romantischen Sage von Tristan und Isolde. Die Ich-Erzählerin des Romans ist aber nicht etwa die irische Prinzessin, sondern deren Dienerin Branwen, in der das Blut ihrer keltischen Vorfahren stark fliesst …
Der Zauber von Erin ist kein unheimliches Buch, sondern eher ein Roman in der Tradition der Nebel von Avalon. Aber gerade die ersten Kapitel, die an Samhain spielen, haben eine wunderbare Atmosphäre, die gut zur keltischen Seite von Halloween passt …
Anne Bishop – Nacht
“Es gibt dreißig Ausgänge aus dem Spukhaus, aber ihr werdet vorsichtig nach ihnen suchen müssen, denn sie sind von Gefahren umgeben. Jedes mal, wenn Magie eingesetzt wird, wird ein Ausgang versiegelt, so dass dieser Weg euch verschlossen bleibt. Sobald der letzte Ausgang versiegelt ist, werdet ihr Teil des Hauses – und bleibt für immer bei uns.”
Nacht ist ein in sich abgeschlossener Roman aus Anne Bishops Saga um Die Schwarzen Juwelen. Einer der Haupthandlungsstränge dreht sich um die Auftragsmörderin Surreal, die mit einem Freund in eine magische Falle tappt. Die beiden werden in einem verwunschenen alten Haus gefangen, durch das Geister streifen, in dem Spinnen aus den Abflüssen kriechen und tödliche Fallen verhindern wollen, dass sie ihren Weg nach draußen finden …
Auch wenn Nacht in seiner Gesamtheit allenfalls durchschnittlich zu nennen ist, bieten Surreals Erlebnisse im Spukhaus natürlich gerade an Halloween eine perfekte Unterhaltung.
Sylvia Hörner – Morrigans Vögel
Es wird Winter in Irland. Der Sommer geht zu Ende und eine dunkle, stürmische und harte Zeit bricht an. Die kleine Maeve, die mit ihrer Familie in einem kleinen Haus an einem idyllischen See lebt, ist verängstigt von den Scharen von Raben, die in diesem Herbst in großer Anzahl übers Land ziehen – und sich eines Tages sogar auf neugeborene Lämmer stürzen. Ist etwas d’rann an den Geschichten ihres Großvaters, der davon erzählt, dass die keltische Göttin Morrigan ihre Vögel ausschickt, weil die Menschen sie vergessen haben?
Sylvia Hörners Morrigans Vögel ist kein typischer Fantasy-Roman, sondern ein nachdenklich stimmendes Buch, in dem die Grenzen zwischen unserer Welt und der Anderswelt manchmal verwischen. Maeve droht, ihren Bruder an die Anderswelt zu verlieren, denn Ruarí tut sich schwer, im Hier und Jetzt unserer betonernen Welt zu leben. Die Autorin will mit dem Roman aufzeigen, welche Bedeutung alte keltische Glaubensvorstellungen und Lebensweisheiten auch heute noch für manche Menschen haben können. Den Fantasy-Fan in mir hat natürlich vor allem das übernatürliche Element angesprochen: Fensterscheiben, in denen sich fremde Gesichter spiegeln, Gesprächspartner, die der eine sehen kann, der andere nicht – und alte Geschichten, die in die Handlung organisch eingewoben sind.
Meine Rezension findet ihr hier.
Lynn Flewelling – Der verwunschene Zwilling
Um das Leben eines neugeborenen Mädchens zu retten, wird gleich nach der Geburt deren Zwillingsbruder ermordet. Sie soll einer Prophezeiung zufolge ihr Land retten und dafür sind mächtige Magier bereit, jeden Preis zu zahlen. Die Mutter der Kinder wird durch diese grausame Tat wahnsinnig, das Mädchen wächst als Junge auf. Ihr Körper wurde magisch in den ihres toten Bruders verwandelt, ohne dass sie ahnt, wer sie wirklich ist. Beim Ritual ging jedoch etwas schief. Denn bereits kurz nach der Ermordung des Jungen hört man das herzzerreissende Weinen eines Säuglings in der Dunkelheit und heller Wein, der verschüttet wurde, verfärbt sich auf der Schürze einer Dienstmagd blutrot …
Leider habe ich gerade meine deutsche Ausgabe ausgeliehen, so dass ich nur kurz aus dem amerikanischen Original zitieren kann:
Passing Ariani’s door in the upper corridor, Nari caught sight of a small patch of red on the wall, just above the rushes that covered the floor. She bent for a closer look, then pressed a hand over her mouth. It was the bloody print of an infant’s hand, splayed like a starfish. The blood was still bright and wet …
Meine Rezension zum Buch (Auftakt einer Trilogie) findet ihr hier.
So. Das war’s dann auch mit meinen diesjährigen Halloween-Tipps. Für Empfehlungen von eurer Seite bin ich übrigens ebenfalls dankbar!
Sehr schöne und zum Anlass passende Auflistung.
Wobei mich dünkt das du Lynn Flewelling guten Gewissens zu jeder Jahreszeit empfehlen würdest ;)
Ergänzend möchte ich kurz meine Halloween Leseempfehlungen beisteuern.
Die da wären:
Thomas Finn – Weisser Schrecken
Gerade taufrisch auf dem Buchmarkt, bietet der neue Finn Roman einen Mystery / Fantasy Thriller mit durch und durch schaurigem Winterflair. Ein gruseliger Nikolaus Mythos, übernatürliche Phänome (wie singende Geisterkinder) und die Kulisse eines friedlich wirkenden Dorfes, in dem jedoch ein tief schwarzes Herz schlägt.
Sehr passend für die Zeit zwischen Halloween und Nikolaus :)
Wer es gerne mehr als nur schaurig hätte, sollte zu Cecille Ravencrafts “Im Zentrum der Spirale” greifen. Erschienen im kleinen Verlag Torsten Low bietet dieses Buch erschreckenden Knusperhaushorror mit kannibalistischen Auswüchsen. Bereichert durch die skurille Ausformung des Kannibalenkultes und einen mysteriösen Hexenzirkel, gibt es hier eine absolute Gruselgarantie. Beruhigend sei erwähnt das in dem Roman nicht nur das reine Fressen zelebriert wird, sondern er wirklich eine spannende Geschichte zu erzählen hat, die durch ihre Atmosphäre lebt und sich nicht auf das Splatter-Element stürzt.
Wer sich zu Halloween auf lesenden Schritten dem Thema Zombies nähern möchte, sei Tony Mochinskis “Eden” empfohlen, denn hier gibt es Zombie Apokalypse im Leinwandformat, mit allem was ein solches Szenario braucht (Zombiehorden, Chaos in den Städten, letzte Enklaven menschlicher Zuflucht,…).
Etwas seichter geht es bei Thomas Plischkes “Die Zombies” zu, denn dieser vollzieht in seinem Roman den spannenden “Werdegang” einer jungen Frau zur Zombie. Weniger Blutfluss als “Eden”, dafür mehr Nähe zur Figur. Dritter Zombietipp: Jane Austen & Seth Grahame-Smith mit “Stolz und Vorurteil und Zombies”. Ein Mash Up des Klassikers. Unterhaltsam mit leichtem Tarantino Flair.
Last but not least, abgedrehte Phantastik aus dem Sieben Verlag, nämlich “Begegnung mit Skinner” von Harald A. Weissen.
Eine junge Frau verliert ihre Kreativität und diese, fortan Elendes Biest genannt, geistert nun durch die Weltgeschichte und richtet allerhand Erschütterndes an. Eine psychisch völlig fertige Hauptfigur, die vom letzten Illusionisten Skinner auf ein Abenteuer geführt wird, das nur als tiefdüster, verstörend und absolut spannend beschrieben werden kann.
So weit für dieses Jahr ;)
Kommentar by Feenfeuer — 25. Oktober 2010 @ 09:47
Hey, danke für die coolen Tipps!
Auf “Weisser Schrecken” freue ich mich schon; Zombies sind eigentlich gar nicht meins, aber “Im Zentrum der Spirale” klingt ja abgefahren. Obwohl, nachdem ich Interview und Rezension auf Deinem Blog gelesen habe, bin ich mir nicht sicher, ob meine Nerven stark genug dafür sind … ;-)
Und, klar, ich empfehle Lynn Flewelling so lange weiter, bis ALLE ihre Bücher gelesen haben. *muharrharrharr*
Kommentar by Darkstar — 25. Oktober 2010 @ 20:48
[…] im letzten Jahr habe ich im Oktober hier einige Bücher kurz vorgestellt, die für mich allesamt gut zur düsteren, […]
Pingback by Darkstars Fantasy News » Halloween Unterhaltung (Lesetipps 2011) | News & Interviews aus der wunderbaren Welt der Fantasy — 20. Oktober 2011 @ 18:01