Am Morgen vor meiner Hochzeit erwachte ich, ohne zu ahnen, dass ich tot war, obwohl mein Herz noch schlug.
So beginnt die leidenschaftliche Geschichte der jungen Canda, die Wüsten und Meere durchquert, um ihre verloren geglaubte Liebe wieder zu finden.
Die hochrangigen Bürger der Stadt Ghan, in der sie lebt, besitzen mächtige Gaben, die sogenannten Lichter: Schönheit, Klugheit, musikalische und mathematische Talente weit über dem von Durchschnittsmenschen zählen zu diesen. Je mehr Lichter jemand besitzt, desto mächtiger ist derjenige. Die mit vier Lichtern gesegnete Canda zählt zu den vielversprechendsten jungen Leuten ihrer Kaste. Am Tag ihrer Hochzeit muss sie jedoch feststellen, dass sie über Nacht nicht nur Tian verloren hat, den Mann, den sie heiraten soll, sondern auch den Glanz, der sie umgibt …
Von einem Augenblick auf den anderen verliert sie alles, was ihr wichtig war: Ihre gesellschaftliche Stellung, die Unterstützung ihrer Familie – und ihre Zukunft. Dem Gesetz nach wird Canda als verlorene Seele weggesperrt. Doch die junge Frau glaubt nicht, dass ihr Verlobter sie freiwillig verlassen hat. Sie weiß, dass Tian sie liebt. Der Mut der Verzweiflung gibt ihr übermenschliche Kraft. Ihr gelingt die Flucht aus ihrem Gefängnis und findet ausgerechnet eine Unterstützerin in der Mégana, der Herrin über Ghan. Mit ihr lässt sich Canda auf einen gewagten Handel ein: Sie bekommt einige Tage Zeit, die Stadt zu verlassen, um ihren Geliebten zu finden, oder sie kehrt nach Ghan zurück und übergibt sich selbst und ihre Fähigkeiten widerspruchslos der Mégana. Ihr zur Seite stellt die Herrin der Stadt Amad, einen undurchschaubaren Sklaven. Für beide beginnt ein beschwerlicher Weg durch sengende Wüstenlandschaften und an die Gestade eines wilden Meeres, bei dem sich die beiden nicht nur selbst finden, sondern auch erkennen, welch schreckliche Geheimnisse die Fundamente ihrer Gesellschaft bilden …
Eine halb verfallene Stadt im tiefen Süden, ein lange vergessener Tempel im Wüstensand, Windsbräute und Gestaltwandler aus der See – nach “Faunblut” und “Ascheherz” besucht Nina Blazon ihre wildromantische Fantasy-Welt, die auf den Überresten einer untergegangenen Zivilisation gründet, zum dritten Mal. Hier trifft halb vergessene Technik auf ungezügelte Magie.
Wie bereits die beiden vorangegangenen Romane kann “Der dunkle Kuss der Sterne” mühelos auf eigenen Füßen stehen. Man muss weder den einen noch den anderen gelesen haben, um Nina Blazons neues Fantasy-Märchen zu verstehen. Denn sie nimmt ihr Publikum mit zu entlegenen, südlichen Ecken ihrer Welt, die sie zuvor noch nicht erkundet hat. Altbekannten Figuren begegnen wir (leider) nicht. Stattdessen begleiten wir eine neue Protagonistin dabei, wie sie faszinierende Facetten ihrer magischen, oft auch gefährlichen Welt selbst entdeckt.
Zu Beginn des Romans ist die junge Canda ganz das Ergebnis ihrer elitären Erziehung. Sie stößt anfangs viele Leute um sich herum – und den Leser – vor den Kopf. Wie alle Figuren, die Nina Blazon erschafft, ist Canda aber entwicklungsbereit und lernfähig und wird im Verlauf der Handlung von einer teils arroganten Stadtbewohnerin zu einer selbstlosen, mitfühlenden jungen Frau, die das verwirrende Netz aus Aberglauben und Lügen, das sie umgibt, mutig durchtrennt, weil sie sich nicht mehr davon blenden lassen will.
Geschickt baut Nina Blazon ihre Handlung auf die Geheimnisse, die Tians Verschwinden und Candas verlorenen Glanz angehen. Im Verlauf der Reise findet Canda nur langsam Antworten, Rätsel folgt auf Rätsel und es gelingt dem Leser ebenso wenig wie der Protagonistin, das große Ganze zu früh zu durchschauen. Man verliert sich in Vermutungen und Ratereien, zieht Schlussfolgerungen, erkennt aber erst zum Schluss, wie sich die unterschiedlichen Geheimnisse von Tian, den Lichtern und Ghan zu einem Großen Ganzen verweben. Der Autorin gelingt es, ihr Verwirrspiel bis zum Ende durchzuziehen.
Bereits den Ereignissen in Ghan haftet etwas Verwunschenes an. Anders als in einigen ihrer anderen Romane, in denen ich eine Weile brauchte, bis mich die Handlung richtig gepackt hatte, tauchte ich in “Der dunkle Kuss der Sterne” gleich ein. Richtig magisch wird es, sobald Canda und Amad die Stadtmauern hinter sich lassen und in die Wüste aufbrechen. Dieser ungezähmte Landstrich ist voller Gefahren und Magie. Im glühendheißen Wüstensand stellt sich Canda altem Aberglauben, der zerstörerischen Kraft einer Windsbraut, Sandbestien und dem gefährlichen Gesang der Toten. Amad und sie durchleben ein aufregendes Abenteuer, in dem es für sie um Alles oder Nichts geht, und um Liebe und Erkenntnis. Der Leser folgt ihr gern in dieses Ab enteuer, dass sie an ihre Grenzen bringt.
Neben einer spannenden Geschichte und dem großen Geheimnis, das es zu lösen gilt, ist es auch die verzauberte Welt, mit der Nina Blazon begeistert. Die Autorin zitiert nicht nur altbekannte Motive, um daraus etwas Neues zu bauen, sondern geht noch einen Schritt weiter. Ihre Meeres-Gestaltwandler sind ungewöhnlich und einzigartig und mit den Lichtern, um denen es im Roman (auch) geht, schafft sie einen eigenen Mythos.
Blazon ist eine Geschichtenerzählerin. Ihr gelingt es, genau die richtigen Worte zu finden, um eine phantastische Stimmung aufzubauen, die Leser mitzunehmen, man möchte sagen, in Bann zu schlagen. “Der dunkle Kuss der Sterne” beweist erneut:
Nina Blazon bedient sich nicht nur alter Mythen und Sagenmotive; Nina Blazon erschafft Märchen.
Fakten:
Titel: Der dunkle Kuss der Sterne
Autorin: Nina Blazon
Verlag: cbt
Aufmachung: Hardcover mit Schutzumschlag, 528 Seiten
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In den kommenden Tagen folgt ein Interview mit Nina Blazon zum Roman.
Eine wirklich wunderschöne Rezension! Würde ich weder das Buch noch die Autorin kennen, würde ich es mir allein wegen dieser Rezension sofort kaufen – zum Glück habe ich es ja schon ;-)
Mir gefällt es, wie ausführlich du auf alles eingehst, ohne aber zu viel zu verraten, sondern gerade so viel, wie nötig ist, um die Neugier zu wecken. Auf das Interview mit Frau Blazon freue ich mich bereits und hoffe, dass diese Rezension viele Menschen dazu bringen wird, dieses wundervolle Buch zu kaufen!
Kommentar by Tatjana — 24. Februar 2014 @ 10:47
Interessant ist, dass die Gestaltung des Buches so anders ist als bei den Vorgängern. Ich hätte nicht gedacht, dass es zur selben Reihe gehört.
Liebe Grüße,
Olga
Kommentar by Olga A. Krouk — 25. Februar 2014 @ 10:38
Hallo Tatjana,
danke für die lieben Worte! Das Buch ist aber auch toll. Deine Besprechung auf Amazon hat mir auch sehr gefallen. Hast du einen Blog?
@Olga:
Stimmt, ich glaube, das ist Absicht.!
Kommentar by Darkstar — 25. Februar 2014 @ 15:21
@Darkstar: Nein, einen Blog habe ich leider nicht. Aber ebenfalls danke für das Lob!
Kommentar by Tatjana — 25. Februar 2014 @ 19:24
[…] vergangenen Montag ist endlich Nina Blazons neuer High Fantasy-Roman “Der dunkle Kuss der Sterne” erschienen. Wie in meiner Rezension beschrieben, handelt es sich um eine märchenhafte […]
Pingback by Darkstars Fantasy News » Interview mit Nina Blazonzu “Der dunkle Kuss der Sterne” | News & Interviews aus der wunderbaren Welt der Fantasy - ein Fantasy Blog — 1. März 2014 @ 14:30