Ein “Von Blogger zu Blogger-Interview” hatten wir auf Darkstars Fantasy News schon lange nicht mehr. Zeit, an alte Traditionen anzuknüpfen. Heute im Interview beantwortet Eva Bergschneider meine Fragen, die ihren Blog phantastisch lesen zwar erst im März 2015 aus der Taufe gehoben hat, die sich aber in der deutschen Phantastik-Szene schon längst etabliert hat. Der eine oder andere kennt sie bzw. ihre Rezensionen sicher von der Phantastik-Couch, für die sie bis 2013 geschrieben hat.
Im nachfolgenden Interview verrät Eva u. a., was man auf ihrem Blog alles findet, welche heißen Autoren-Tipps sie hat, was sie von Fantasy-Verfilmungen hält und was sie generell von einem guten Fantasy-Roman erwartet.
Von Blogger zu Blogger: Interview mit phantastisch lesen
Liebe Eva, seit wann bloggst Du und was findet man auf Deinem Blog?
Als Bloggerin bin ich ein Neuling, denn meine Webseite phantastisch-lesen.com ist erst Anfang März online gegangen. Man findet dort Buchbesprechungen zu Phantastischer Literatur, überwiegend von mir geschrieben.
Ich habe einige meiner Besprechungen für Phantastik-Couch.de, wo ich bis vor 2 Jahren tätig war auf meinem Blog platziert, einfach um die Seite anzulegen und zu zeigen, wie sie aussehen soll. Nun kommen laufend neue Rezensionen dazu.
Untergliedert habe ich den Blog in die Genre Fantasy, Horror, Science-Fiction, sowie Steampunk und Phantastik Plus. Steampunk mag ich sehr gern, deshalb wollte ich diesem Genre eine eigene Rubrik gönnen. In Phantastik Plus landen die Besprechungen, die sich nicht eindeutig dem Phantastik-Genre zuordnen lassen, aber ohne das phantastische Element nicht auskommen, Audrey Niffenegger und Haruki Murakami sind hier zu finden.
Des Weiteren gibt es zahlreiche Autorenportraits, alphabetisch an- und dem jeweiligen Genre zugeordnet. Ich hoffe, dass diese Gliederung eine gute Übersicht bietet und man nicht für jede gesuchte Besprechung die Suchfunktion aufrufen muss.
Welches Buch, das du im letzten halben Jahr gelesen hast, war dein persönlicher Favorit?
Nick Harkaway – “Der Goldene Schwarm“.
Das war das beste Buch, das ich in letzter Zeit gelesen habe. “Der Goldene Schwarm” ist ein unterhaltsamer Roman mit Originalität und Witz. Harkaway erzählt eine wunderbar, spritzige und spannende Geschichte, mit einer steampunkigen alternativen Historie gewürzt. Eine aberwitzige Gaunerkomödie mit herrlich überzogenen Charakteren, die mit schwarzem englischem Humor erzählt wird.
Wer ein Faible für etwas schräge Phantastik hat, sollte “Der Goldene Schwarm” unbedingt lesen.
Und welches Buch, das Du im letzten halben Jahr gelesen hast, hättest Du Dir rückblickend lieber gespart?
Ich hatte Glück, in letzter Zeit war kein Buch dabei, dass es eine reine Enttäuschung war.
Vor einem Jahr habe ich allerdings “Taberna Libraria-Die magische Schriftrolle” vom Autorenteam Dana S. Eliott gelesen. Der Roman ist ein Output des Droemer-Knaur Projekts für Nachwuchsautoren Neobooks. Diese Online-Plattform, wo Autoren ihr Werk präsentieren und sich gegenseitig bewerten finde ich gut und ich wollte es gern auf meine Art unterstützen. Daher habe ich einen der Siegertitel aus dem Fantasy-Bereich gelesen, konnte aber leider nur wenig Positives darüber schreiben. Ich fand Story und vor allem die Charaktere einfach zu flach, besonders eine der Hauptfiguren ging mir regelrecht auf den Nerv. Das war echt nicht mein Buch.
Welches noch unveröffentlichte Buch erwartest du sehnlichst?
Kürzlich ist “Ruinen” erschienen, der finale Teil der Dystopie-Reihe “Partials” von Dan Wells.
Ich mag den Autor, seitdem ich die “John Cleaver”-Reihe kenne, aber die “Partials”-Bücher gefallen mir noch besser. Allein die Beschreibung des Konflikts zwischen Menschen und künstlichen Menschen verknüpft mit der Tatsache, dass beide nicht ohne einander können und sich kaum voneinander unterscheiden, geht einem sehr nah.
Die Ursache für die Apokalypse durch Krieg und Virus ist äußerst komplex und ich bin schon sehr gespannt, wie sich alles am Ende fügt. Begeistert bin ich natürlich auch von Figuren wie Kira und Samm, dem Partial. Es stecken viele humanistische Denkanstöße in den Büchern. Ich mag Bücher in denen gute Unterhaltung und ein tieferer Sinn zusammenkommen. Ich habe “Ruinen” noch nicht vorliegen, aber das Buch bereits bestellt und kann kaum erwarten, es zu lesen.
Tad Williams hat eine Fortsetzung der “Osten Ard”-Saga angekündigt, darauf freue ich mich total (Anm. Darkstar: Mehr dazu hier!). Ich habe “Der Drachenbeinthron” und die vier folgenden Romane verschlungen, das ist High Fantasy vom Feinsten. Und nun bin ich äußerst gespannt auf die Fortsetzung der Geschichte, auch weil Tad Williams sich als Schriftsteller seit dem Erscheinen der “Osten Ard” Bücher in den 90er Jahren enorm weiterentwickelt hat.
Was war deiner Meinung nach das unpassendste und / oder hässlichste Cover 2014 / 2015 – und welches das schönste?
Ich kann Dir kein bestimmtes hässliches Cover nennen, denn davon gibt es einfach zu viele.
Für mich gehören alle austauschbaren und stereotypen Covers im Fantasy-Genre dazu. Innerhalb bestimmter Richtungen sind diese Cover beliebig austauschbar, haben nur oberflächlich etwas mit dem Inhalt des Buchs zu tun und werden seiner Atmosphäre nicht gerecht.
Oft scheint Covergestaltung einfach so zu funktionieren: Auf einem Buch mit dem Thema Magie sehen wir eine verhüllte Gestalt, geht es um Krieg, kommt ein Schwert auf das Cover. Ist das Thema Liebe dabei – her mit der schmollmündigen Dame oder dem Typ mit Sixpack. Kein Wunder, dass Fantasy immer noch in dem Ruf steht, anspruchslose Literatur zu sein, die Cover erzeugen oft den Anschein. But don’t judge a book by its cover!
Zum Glück gibt es auch positive Beispiele. Die Cover von Feder & Schwert sind kleine Kunstwerke, die dem Inhalt des Buchs gerecht werden und niemals austauschbar wirken. Und der Diogenes Verlag hat gezeigt, dass Fantasy sich auch mit schlichtem Cover und dezentem Eyecatcher verkaufen lässt, nämlich auf den Büchern von Stefan Bachmann “Die Seltsamen” und “Das Wedernoch“. Das nenne ich kreativ, stilvoll und fern der üblichen Klischees.
Gibt es einen Fantasy-Roman, der bereits älter ist und momentan nicht unbedingt überall im Buchhandel ausliegt, den man deiner Meinung nach aber trotzdem mal gelesen haben sollte?
Da möchte ich eines meiner Lieblingsbücher nennen, nämlich “Erdsee” von Ursula K LeGuin.
Das ist eine schöne, spannende und unterhaltsame Serie in der es um viel mehr geht, als phantastische Figuren, Magie und Krieg obwohl all das wesentliche Themen darin sind. Vielmehr geht es um Menschlichkeit, Freundschaft und Verantwortung. Und um Toleranz demjenigen Gegenüber, der irgendwie anders ist.
Das erste “Erdsee” Buch “Der Magier der Erdsee” stammt aus dem Jahr 1968, doch die Inhalte sind sehr modern, zeitlos trifft es wohl am besten. Dabei kein bisschen moralisch belehrend, sondern einfach nur wunderschön geschrieben. Ursula K LeGuin ist wirklich eine große Lady der Phantastik-Literatur.
Zudem hat mich eine achtbändige Serie total begeistert, die außer mir niemand zu kennen scheint: “Der Spiegel der Erinnerung” von Ian Irvine, High Fantasy mit einem ganz kleinen Science-Fiction Anteil.
Der Schauplatz ist der Planet Santhenar, auf dem die unterschiedlichsten Völker und Kulturen leben. Unter ihnen einige, die sehr innovative Arten von Magie ausüben, wie zum Beispiel durch ein besonderes Erzähltalent. Die Hauptprotagonisten finden einander auf einer Quest und geraten in die Fänge der Mächtigen. Die Reihe bietet einfach alles, was ich an der Fantasy so mag, ein interessanter Weltenbau, wunderbare Kulturen, Charaktere, die sich entwickeln und in kein Schwarz-Weiß Raster passen, Abenteuer voller Überraschungen. Mir hat die Serie wirklich viel Freude gemacht, aber wie gesagt, sie ist leider recht unbekannt.
Danke für den Tipp! Davon habe ich glaub ich wirklich noch nie gehört! Gibt es ein Buch, dass du schon seit Ewigkeiten lesen willst, aber bisher noch nicht dazu gekommen bist?
Ja, da gibt es ganze Bücherregale voll von. (grinst)
Ich nenne einfach mal ein paar Beispiele: Ich habe eines der angeblich schönsten Bücher von Tad Williams noch nicht gelesen und das ist “Der Blumenkrieg“.
Außerdem bin ich ein großer Fan der Steampunk-Literatur und sollte dringend mal ein paar Klassiker dieser Richtung lesen, wie Michael Moorcocks “Die Zeitnomaden” oder “Die Differenzmaschine” von William Gibson.
Ich habe auch aus der Serie “Der Friedhof der vergessenen Bücher” von Carlos Ruiz Záfon nur den ersten Teil “Der Schatten des Windes” gelesen, was fast schon beschämend ist.
Über die Reihe “The Tales of the Ketty Jay” von Chris Wooding habe ich sehr viel Gutes gehört. Die “Ile-Rien”- Trilogie von Martha Wells würde ich gern lesen, denn diese Welt und ihre Protagonisten haben mir im Einzelband “Necromancer” wirklich gut gefallen und und und.
Gib mir 48 Stunden Tage, eine 9 Tage Woche mit 4 Arbeitstagen und ich schaffe bestimmt alles zu lesen, was ich lesen möchte.
Wer ist deiner Meinung nach der meist unterschätzteste Fantasy-Autor, der ein größeres Publikum wirklich verdient hätte?
Da fällt mir sofort der Autor Oliver Plaschka ein. Von ihm habe ich “Die Magier von Montparnasse” und “Das Licht hinter den Wolken” begeistert gelesen. Sein erster Roman “Fairwater” gehört auf die zuvor genannte Liste.
Oliver ist ein wirklich begnadeter Geschichtenerzähler mit einem feinen Gespür für Sprache und den Aufbau einer Story. Und seine Bücher sind so herrlich wenig an den Mainstream angepasst. Dadurch sind sie nicht vorhersehbar und funktionieren nach ganz eigenen Regeln. Das ist vielleicht der Grund dafür, dass Oliver Plaschka nicht einem so großem Publikum bekannt ist, wie er eigentlich sollte. Aber vielleicht bleibt er als Schriftsteller dadurch so einzigartig.
Welcher Autor ist deiner Meinung nach “DIE” Neuentdeckung 2014/2015?
Meine Autoren-Neuentdeckung 2014 ist dieselbe, die auch die Seraph-Jury 2014 mit dem Preis für das “Beste Debut2 gekürt hat: Katharina Hartwell mit ihrem Kurzgeschichten-Roman “Das Fremde Meer“. (Eine Review findet ihr hier).
Allein wie die Autorin 10 Phantastik Kurzgeschichten mit einer Rahmenstory zu einem “großen Ganzem” verknüpft, ist für sich schon lesenswert. Dazu schreibt sie intensiv und variantenreich, wie ich das selten bei einer so jungen Autorin erlebt habe. Katharina Hartwell ist wirklich eine Entdeckung
Zahlreiche Fantasy-Bücher, v. a. im Jugendbuchbereich, wurden und werden fürs Kino verfilmt. Meist mit unterschiedlichem Erfolg. Bist Du Fan von Verfilmungen oder würdest Du Dir wünschen, Hollywood & Co. würden die Finger davon lassen?
Nein, das Gegenteil ist der Fall. Ich habe mich lange und intensiv auf die “Herr der Ringe”-Filme gefreut und vorbereitet, jeden Info-Schnipsel aufgesaugt und nächtelang in Foren diskutiert. Seither ich bin ein ausgesprochener Fan von guten Fantasy-Verfilmungen.
Ich erwarte allerdings, dass die Atmosphäre der Bücher passend eingefangen wird. Es ist nicht so wichtig, dass inhaltlich alles genau übereinstimmt. Die Handlung in einem Film funktioniert nun einmal anders, als in einem Buch. Aber die Stimmung, die Charaktere sollten schon gut getroffen sein.
Hattest Du 2014/2015 einen Lieblings-Phantastik-Kinofilm?
Das war “Die Tribute von Panem – Mockingjay Teil 1“.
Ich finde, dass sowohl die Bücher, als auch die Filme immer besser werden. Mir gefällt einfach der Zerfall dieser restriktiven und grausamen Welt mit schillernder Fassade. Ich mag die sich verbreitende friedliche Revolution, die unterschiedlichen Standpunkte, die dargestellt werden. Die Romane von Suzanne Collins sind wirklich gut umgesetzt worden und ich freue mich sehr auf das Finale.
Falls Du Game of Thrones guckst: Welches noch unverfilmte Fantasy-Epos würdest Du gern als qualitativ hochwertige TV-Serie schauen?
Ich gucke “Game of Thrones” und sehne jede Folge herbei. Ich kann mir viele Phantastik-Epen als TV-Serie vorstellen. Mein Lieblingsbuch “Erdsee” von Ursula K. LeGuin gibt es als TV-Zweiteiler. Den ersten Teil fand ich gar nicht schlecht, aber der zweite Teil war aber eher schwach.
Den Kinofilm zum Auftakt der “His Dark Materials”-Trilogie von Philip Pullman “Der Goldene Kompass” fand ich sehr schön und hätte mich gefreut, wenn die beiden verbliebenen Bände “Das magische Messer” und “Das Bernstein-Teleskop” auch verfilmt worden wären.
Eine hochwertige Verfilmung der Serie “Der Spiegel der Erinnerung” von Ian Irvine wäre bestimmt ein Knaller, die würde ich unglaublich gern sehen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass sich Bernd Perplies Steamfantasy Trilogie “Magierdämmerung” gut verfilmen ließe. Und Markus Heitz “Die Zwerge” würde sich sicherlich auch gut im TV machen.
Es gäbe schon genug Stoff, den man als TV-Serie umsetzen könnte.
Hörbücher: Ja oder Nein?
Aber ja, ich höre Hörbücher und -spiele sehr gerne.
Ich genieße sie vor allem auf langen Autofahrten. Zum Beispiel verbinde ich eine Urlaubstour nach Kroatien mit dem Hören von “Spektrum” von Sergej Lukianenko, oder eine Rückfahrt aus Österreich im Sturzregen mit dem Hörbuch “Die Werwölfe” von Christoph Hardebusch. Derlei Erlebnisse gibt es einige.
Mein Favorit unter den Hörspielen ist die “Otherland”-Saga von Tad Williams. Was da an Geräuschkulisse erschaffen wird ist unglaublich, du bist mitten drin in “Otherland”.
Was wünschst du dir von einem guten Fantasy-Buch?
Ich möchte von der Story und der Atmosphäre eingefangen und fasziniert werden.
Fantasy soll mich in andere Welten entführen, mir fremde Kulturen nahe bringen und mir zugleich Dinge über meine eigene Welt erzählen. Das mag widersprüchlich klingen, aber das ist es nicht. Fantasyvölker und –welten erscheinen nicht aus dem Nichts, sondern darin spiegeln sich unsere Welt, unser Leben und die Menschen wider. Das alles verbildlicht und überzeichnet die Phantastische Literatur und ersinnt daraus Geschichten.
Ich möchte schaurige Charaktere lieben lernen, oder die vermeintlich Guten am Ende hassen. Ich möchte den Protagonisten gern folgen, mich über sie ärgern, wundern, entsetzt sein, umdenken und mich mit ihnen freuen. Ich möchte ein Abenteuer erleben, den Zauber eines Moments genießen und mich an Landschaften erfreuen. Ich möchte gebannt das Geschehen verfolgen, Mutmaßungen anstellen, wie es weiter geht. Ich möchte einfach gut unterhalten werden und noch eine Weile nach der Lektüre das Geschehen in meinem Kopf hin und her wälzen.
Wenn ein Fantasy-Roman zumindest einen Teil davon bewirkt, dann freue ich mich auf jede Gelegenheit zu lesen und trenne mich nur ungern von der Lektüre.
Liebe Eva, vielen Dank für das nette Gespräch! Da hast Du mir – und hoffentlich auch einigen anderen – ein paar spannende Lesetipps mit auf den Weg gegeben.
Den Blog phantastisch lesen findet ihr: hier!