Gefallene Engel, hilfreiche Dämonen und schwule Helden …
Ice Lake ist eine typische, kleine amerikanische Gemeinde. Nachdem sich seine Eltern getrennt haben, ist Stuart mit seiner Mutter und seinen beiden Geschwistern hierher gezogen und hat sich seither gut eingelebt. Obwohl Ice Lake sehr christlich dominiert ist, haben die Nachbarn auf Stuarts Outing völlig gelassen reagiert. Der örtliche Priester gibt ihm sogar gute Ratschläge und ist für den Teenager eine wichtige Bezugsperson.
Schlagartig ändert sich jedoch die Situation, als sein kleiner Bruder ihn eines Sonntags dabei erwischt, wie er sich unter der Dusche einen runter holt und diese ohnehin schon peinliche Situation gegenüber der ganzen Kirchengemeinde ausplaudert.
Die Bewohner von Ice Lake laufen zu Stuarts völligem Entsetzen Sturm: Sie werfen ihm vor, eine unverzeihliche Sünde begangen zu haben, seine Lehrer verbieten ihm, allein auf die Toilette zu gehen und seine Mutter geht sogar so weit, ihn aus dem Haus zu schmeißen.
Die geheime Agenda gefallener Engel …
Recht schnell merkt Stuart, das etwas nicht mit rechten Dingen zugehen kann, vor allem, als anderen Jugendlichen das gleiche geschieht. Gut, dass er einem geheimes Hobby fröhnt: Er beschört in seiner Freizeit Dämonen. Die Ausgeburt der Hölle, die er in seinen Bannkreis zwingt, verrät ihm dann auch, was in Ice Lake los ist: Ein gefallener Engel ist in dem kleinen Ort aufgetaucht, der so besessen davon ist, den Menschen den Himmel auf Erden zu bescheren, dass er dabei buchstäblich über Leichen geht …
Flotte, freche Urban Fantasy mit ungewöhnlichem Helden
Böser Engel besticht nicht nur durch seine coole und inspirierte Geschichte, sondern auch durch die freche, schnelle und direkte Art, mit der Timothy Carter schreibt. Er erzählt den Roman aus der Ich-Perspektive von Stuart, aufgeweckt, sarkastisch und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Die 270 Seiten lesen sich praktisch flüssig in einem Rutsch.
Carters Idee, warum Engel tatsächlich fallen und was sie auf der Erde treiben, überzeugt und ist mir so noch nicht unter gekommen. Großes Lob gebührt Timothy Carter außerdem dafür, wie herrlich unkompliziert er mit Stuarts Homosexualität umgeht. Ihm gelingt es, ehrlich mit der Thematik umzugehen. Sie ist präsent, dominiert aber weder das Geschehen, noch ist sie einfach Coloeur und wird nach einmaliger Erwähnung totgeschwiegen. Stuart beweißt, das schwule Teenager selbstbewusst, nicht verweichlicht und cool sein können – und Carter erlaubt seiner Hauptfigur sogar ein paar Momente, in denen es mit einem Mitschüler knistert. Das alles aber so unaufdringlich und normal, dass es auch ein heterosexuelles Publikum nicht vergrault.
Für humoristische Einlagen und Action sorgt Stuarts unfreiwilliger Helfer, der Dämon Fon Pyre.
Eine Persiflage auf fanatische Missionare
Mit „Böser Engel“ nimmt Carter ziemlich scharfzüngig die übertrieben christliche, bigottische Einstellung manch kirchlicher Fanatiker auf’s Korn. Im Grunde genommen richtet er mit der spießigen Gesellschaft ab, die Gottes Wort zu wörtlich nimmt und nach ihrem eigenen Gutdünken verdreht – und mit den in den USA in die Mode gekommenen Medien-Priestern, die mit Charisma Volksverdummung auf hohem Niveau betreiben. Natürlich neigt Carter im Buch zu Übertreibungen. Die machen aber Roman-mythologisch sogar durchaus Sinn.
Fazit
Wer an einer coolen, spritzigen Geschichte als Lesestoff für Zwischendurch interessiert ist, die Engel so gar nicht aus dem Thriller- oder Romantasy-Blickwinkel beleuchtet und wer mit einem schwulen Helden leben kann, sollte „Böser Engel“ unbedingt eine Chance geben. Timothy Carter, ich hoffe stark auf eine Fortsetzung!
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