Cinderella ist tot – und das Erbe, das sie hinterlässt, furchtbar.
Seit vor zweihundert Jahren wie auf magische Weise Cinderella in einer rauschenden Ballnacht ihre große Liebe fand, herrscht in dem Königreich, in dem Protagonistin Sophia lebt, ein eisernes Regiment.
Per Gesetz sind alle jungen Frauen im heiratsfähigen Alter dazu verpflichtet, jährlich am königlichen Ball teilzunehmen, um dort unter den ledigen Männern – die teils das “heiratsfähige Alter” schon lange überschritten haben – einen Bräutigam zu finden. Und wehe der, der das nicht gelingt. Das Leben als Frau in diesem mittelalterlichen Königreich bedeutet ohnehin schreckliche Unterdrückung.
Sophia findet das alles schrecklich. Sie liebt eine Frau und will keinen Mann – lieber flüchtet sie vom Ball direkt in den verwunschenen Wald. Dort trifft sie eine Leidensgenossin. Und an ihrer Seite entdeckt sie, dass die wahre Geschichte um Cinderella ganz anders ist, als der König sie alle glauben machen will.
Cinderella ist tot hat mich zwiegespalten zurückgelassen:
Ich mag sowohl Märchenadaptionen als auch Jugenddystopien wie etwa Panem oder The Grace Year. Kalynn Bayrons Roman klang auf den ersten Seiten so, als würde sie diese beiden Subgenres auf wunderbare Art miteinander verschmelzen. Und um die Sache für mich perfekt zu machen noch mit einem lesbischen Plot zu würzen. Das waren also eigentlich ideale Voraussetzungen für ein wunderbares Lese-Abenteuer.
Streckenweise gelang es der Autorin auch, mich zu verzaubern. Sie hatte einige kreative Ideen und ich mochte ihren flüssigen Schreibstil. Mitunter ging mir vieles jedoch zu schnell und vor allem ging es mir nicht genug in die Tiefe. Für meinen Lesegeschmack hat Bayron viele Schlüsselmomente nicht richtig ausgekostet, sondern in wenigen Seiten abgehandelt.
Deutlich nerviger fand ich allerdings die Eindimensionalität, mit der sie ihre Welt aufbaut: Ja, dieses mittelaterlich-märchenhafte Königreich ist ein Tyrannenstaat, in dem die Frauen schlecht behandelt werden. Aber müssen deshalb alle – wirklich alle – Männer in der Geschichte furchtbare Menschen sein? Der einzige annehmbar sympathische männliche Charakter stellt sich als schwul heraus. Alle anderen männlichen Figuren verhalten sich einfach nur widerlich.
Ich liebe feministische Geschichten, versteht mich nicht falsch. Aber einfach den Spies umzudrehen und alle (heterosexuellen) Männer als furchtbare Monster darzustellen ist für mich nicht feministisch, es ist auf die falsche Weise extrem und hat aus einer Märchenadaption mit viel Potential leider eine kleine Enttäuschung gemacht.
Nicht alles an Cinderella ist tot ist schlecht. Kaylinn Bayron schreibt schön und ich kann mir vorstellen, noch mal was von ihr zu lesen. Einige Passagen im Buch haben mir sogar richtig gut gefallen. Die haben aber nicht ausgereicht, um den insgesamt eher enttäuschenden Eindruck wettzumachen. Leider.